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Trag mich ganz nah bei dir: Interview mit einer Trageberaterin

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Es war einer dieser Momente, der alles veränderte. Als ich mein Baby nach der Geburt zum ersten Mal im Arm hielt und da diese ganz spezielle Verbindung war. Ich wollte die Kleine immer in meiner Nähe haben, ihr Geborgenheit und Wärme schenken. Sie behüten und beschützen. So begann ich, mich intensiv mit dem Thema Tragen auseinanderzusetzen.

Während meiner Suche nach der optimalen Tragevariante wurde aber schnell klar, dass ich professionelle Unterstützung brauchte. So lernte ich Belinda von Tragestern kennen. Eine sympathische Trageberaterin, die mir das Tragen näherbrachte und mich in die bunte Welt der Tragetücher und Tragehilfen einführte. Und weil ich finde, dass sich das überaus gelohnt hat, habe ich Belinda ein paar Fragen gestellt.

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Belinda trägt ihre Tochter in einem handgefertigten Luemai von Tragebaby.

Belinda, kannst du uns erklären, was die positiven Aspekte des Tragens sind?

Da gibt es ganz viele! Es macht nicht nur Spass und erleichtert den Alltag, weil es einem zwei freie Hände verschafft, sondern bringt auch dem Kind viele Vorteile. Getragene Babys schreien deutlich weniger und schlafen nachts besser. Durch das Tragen erleben sie den Alltag auf Augenhöhe mit, können sich jederzeit ankuscheln und erleben dadurch weniger Stress. Wenn ein Kind ergonomisch richtig getragen wird, kann die Hüftentwicklung positiv beeinflusst werden. Zudem wird durch das Tragen auch der Gleichgewichtssinn aktiviert und gefördert.

Vor allem aber profitieren Babys in ihrer Entwicklung. Ihr Urvertrauen wird durch den Körperkontakt gestärkt. Das ist sehr zentral für eine sichere Bindung. Wir Menschen sind Traglinge und – besonders im ersten Lebensjahr – dazu gemacht, von unseren wichtigsten Bezugspersonen getragen zu werden. Gerade auch für Väter ist es eine schöne Art, um mit dem Kind eine innige Beziehung aufzubauen.

Trageeltern wissen wovon ich spreche, wenn ich sage, dass Tragen glücklich macht. Es bewirkt nämlich, dass beim Tragenden mehr Oxytoxin ausgeschüttet wird. Dabei sprechen wir vom sogenannten Liebes- und Stillhormon. Dieses Hormon beeinflusst unsere Liebesfähigkeit und wirkt sich positiv auf den Beziehungsaufbau zu unseren Kindern und auf unsere Fähigkeit aus, auf sie und ihre Bedürfnisse einzugehen. Nähe, Zuwendung, Wärme und Geborgenheit sind Grundbedürfnisse überhaupt. Sie alle werden durch das Tragen abgedeckt.

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Tragetücher von KindsKnopf. Sie werden aus pflanzlichen Fasern gewebt und in einer familiengeführten Weberei in Österreich hergestellt.

Wie trägt man richtig, respektive – was kann man falsch machen?

Tragen ist keine Hexerei, wenn ein paar wenige Regeln beachtet werden. Bis die Wirbelsäulenentwicklung entsprechend fortgeschritten ist, muss der Rücken des Kindes ausreichend gestützt sein. Dabei ist enges und straffes Binden ganz wichtig. Auch ein grösserer Tragling braucht ausreichend Halt, denn wenn er einschläft, lässt sein Muskeltonus nach und sein Rücken rundet sich wie bei einem Neugeborenen. Der Kopf soll gut gestützt werden. Die Beine müssen so positioniert sein, dass sie 90° gespreizt und die Knie bis zum Bauchnabel angehockt sind (Anhock-Spreiz-Haltung). Dafür sollte der Steg – das Material, das sich zwischen den Beinen des Kindes befindet – von Kniekehle zu Kniekehle reichen.

Auf keinen Fall darf das Kind vom Tragenden abgewandt mit Blick nach vorne getragen werden. Dann kann es weder die natürliche Haltung vom Einrunden des Rückens einnehmen (Achtung Hohlkreuz), noch ist eine saubere Anhock-Spreiz-Haltung möglich. Zudem hat das Baby dann keine Möglichkeit, sich von den Reizen der Aussenwelt abzugrenzen und wird reizüberflutet.


Was gibt es für Tragevarianten?

Der bewährte Klassiker ist das Tragetuch (siehe Bild oben von KindsKnopf). Darin kann das Kind von Geburt bis ins Laufalter getragen werden, sei dies am Bauch, auf der Hüfte und auf dem Rücken. Es passt sich optimal der tragenden Person und dem Rücken des Kindes an, vorausgesetzt natürlich, es wird richtig gebunden.

Ein Ringsling (siehe Bild unten von Kokadi) ist ideal, wenn es schnell gehen soll, oder das Kind schon läuft und nur für kurze Strecken getragen werden möchte. Mittels zweier Ringe, die am Ende ins Tuch eingenäht sind und durch das andere Ende wie ein Gurt eingefädelt wird, lässt sich der Ringsling auch sehr individuell dem Kind anpassen.

Sehr aktuell und beliebt sind auch die verschiedenen Tragehilfen (siehe Bild ganz unten von Tragebaby), von denen es eine grosse Auswahl gibt. Die einen sind vollständig zum Binden, während andere über Schnallen beim Bauchgurt (Halfbuckles) oder nur Schnallen (Fullbuckles) verfügen.

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Ein Ringsling (Tuch Diorite Stars) des deutschen Unternehmens Kokadi.

Wie entscheide ich mich für die «richtige» Tragevariante?

Indem ich mich informiere und eine Trageberatung aufsuche. Die richtige Tragevariante ist ganz abhängig von den Eltern und deren Babys. Jede Familie hat ihre eigenen Wünsche und Präferenzen. Es gilt herauszufinden, welche Trageweise oder Tragehilfe optimal ist. Ich finde den Vergleich mit den Schuhen jeweils sehr passend. Einen Schuh zu kaufen, ohne ihn anprobiert zu haben, ist schwierig, weil es eine individuelle Angelegenheit ist. Ähnlich ist es mit Tragetüchern und Tragehilfen. Es lohnt sich, diese vorher anzufassen, zu probieren und im besten Fall sogar zu testen, um dann die Bindeweise/Tragevariante zu finden, die passt und allfällige Fehlkäufe verhindert.

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Der Luemai – eine Tragehilfe – wird in der Schweiz von Tragebaby in Handarbeit hergestellt.

Wann sollte man eine Trageberaterin in Anspruch nehmen?

Die einen melden sich für eine Beratung bereits vor der Geburt, um sich über das gesunde Tragen zu informieren. Andere kurz danach oder auch später. Eine Trageberatung lohnt sich auf jeden Fall, um eine Einführung in die kindliche Entwicklung und die wichtigsten Regeln zum gesunden Tragen zu erhalten. Dabei besteht die Möglichkeit, sich einen Überblick über die verschiedenen Tragehilfen zu verschaffen, aber auch um Bindetechniken im Tuch zu erlernen oder zu verbessen. Tragehilfen können ausprobiert, verglichen und sogar gemietet werden, um sie auf Herz und Nieren zu testen. Auch nach der Beratung steht eine Trageberaterin für Fragen gerne zur Verfügung. Oft geht es auch darum, die Eltern in ihrem Tun und ihrer Elternkompetenz zu stärken und zu ermutigen. Ich bin aber davon überzeugt, dass Eltern intiuitv schon ganz viel richtig machen.


Kontakt
Tragestern Trageberatung
Belinda Daniele-Benson
Nettie-Sutro-Strasse 7
8046 Zürich

+41 76 585 05 95
info@tragestern.ch
https://tragestern.ch/

Bilder: © Tragestern / KindsKnopf / Kokadi / Tragebaby

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