Mamasein

Der Restaurant-Vorfall: Ein Drama in drei Akten

Mini & Stil, Mama Blog Schweiz, Familienrestaurant

Mit einer weit ausholenden Armbewegung schmiss sie den Porzellanteller samt Nudeln, Gemüsebouquet und schön drapiertem Peterli wie ein Frisbee durch das Restaurant. Bestimmt keine andere 15-monatige besitzt eine derartige Wurfbegabung wie meine Tochter. Gefühlt eine Million Erbsli und Maiskörner rieselten wie kleine grüngelbe Hagelkörner auf die tausend Porzellanscherben, die jetzt den Fussboden zierten.

WUUUUUUUSCH!

In hundertstelsekundenschnelle drehten sich rund zwanzig Gesichter synchron in die Richtung unseres Tisches. MUCKS. MÄUSCHEN. STILLE. Es lag in der Luft: «Wie kann die Mutter dem kleinen Kind denn bloss einen Porzellanteller hinstellen»?

Ich, die Mutter, musste wohl einen kurzen Aussetzer gehabt haben. Doch als mir der nette Kinderkoch am Buffet diesen Teller reichte, während hinter mir ein halbes Dutzend Eltern mit ihren Sprösslingen ungeduldig von einem Bein aufs andere traten, traute ich mich nicht, den kleinkindfreundlichen Kunststoffteller zu verlangen. Ja nu. Wird schon schiefgehen. YAP!

Das also war Desaster Nummer eins…

…im Restaurant des Familienhotels, in dem wir für ein paar Tage weilten. Und Fehler Nummer hundertsiebenundzwanzig in meinem mehr oder weniger frischen Leben als Mutter.

Am Tisch links von uns sass allabendlich die sogenannte Perfi-Familie. Sie in weissen Hosen, adretter Bluse und Ballerinas, stets darauf bedacht, den Schein der perfekten Familie zu wahren. Er in Mokassins, Buntfaltenhosen, sauber gebügeltem Hemd. Klein Emma (3), hatte die Haare schön, sass brav auf ihrem Stuhl und machte den ganzen Abend weder pieps noch paps. Baby Emil, 6 Monate, schlummerte im Kinderwagen selig vor sich hin. IMMER. Ok, manchmal öffnete er kurz Augen und Mündchen und bekam ein Gläschen von Mister Hipp verabreicht. Drei Mal Wagen rütteln und schon war er wieder im Land der Babyträume.

Der Tisch rechts von uns beherbergte Mutter, Oma und Matilda (6). Entweder waren Mutter und Oma einander so vertraut, dass sie sich auf ihre telepathischen Fähigkeiten verliessen oder sie frönten der nonverbalen Kommunikation, weil sie sich schlichtweg nichts zu sagen hatten. Klein M. verschwand ab und an vom Tisch, was Mutter und Oma aber nicht weiter zu bemerken schienen.

Desaster Nummer eins löste bei der Perfi-Familie dezente Hyperventilation aus. Klein Emma würde sowas nie tun. NEVER. Unsere nonverbalen Tischnachbarn hingegen bestellten beim Kellner schon mal Popcorn. Sie wollten das Spektakel aus erster Reihe miterleben.

Ein neu befüllter, kleinkindfreundlicher Teller stand mittlerweile auf dem Tisch. Ruhe kehrte ein. Für volle 7 Minuten. So lange dauerte es, bis Mini beschloss, lieber Krawall zu machen, anstatt es klein Emma gleichzutun. Ihr kleiner Finger zeigte zweifelsohne in Richtung des Buffets mit den Guetzli. Im Gegensatz zum Tisch rechts von uns funktionierte die nonverbale Kommunikation hier richtig gut. Immerhin etwas.

«Nein, es gibt jetzt kein Guetzli. Iss bitte zuerst deine Erbsli und den Mais.»

WUÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄHH!

Erbsli und Mais regneten erneut zu Boden.

Desaster Nummer zwei nahm seinen Lauf

Meine erzieherische Durchsetzungskraft sank rapide. Gleichzeitig stieg mein Verlangen nach einem Glas Prosecco exponentiell. Ich holte ein Guetzli. Was unmittelbar verächtliche Blicke sowie stummes Kopfschütteln der Perfi-Familie nach sich zog. Klein Emma weiss zwar, wie man Petit Beurre buchstabiert, würde aber nie danach verlangen. NEVER. Das Mutter-Oma-Gespann rückte derweil seine Stühle näher in unsere Richtung und bat den Kellner um Gummibärchen.

Die Situation beruhigte sich wieder. Bis mir Mini ein Guetzli später unmissverständlich zu verstehen gab, dass sie den Kinderhochstuhl ziemlich blöd findet. Sie wollte runter. JETZT. SOFORT. KOMPROMISSLOS. Nicht mal ein Bestechungsversuch mit einem zweiten Guetzli half.

«Ok, dann gehst du halt runter und spielst ein bisschen neben dem Tisch.»

Meine Glaubwürdigkeit hinsichtlich Erziehungsqualifikationen sank in den Keller.

Das war dann der Anfang von Desaster Nummer drei

Einem hungrigen Hühnchen gleich, pickte Mini jetzt alle Erbsli und Maiskörner vom Fussboden auf und stopfte sich die kleinen bunten Hülsenfrüchte in den Mund. Die Perfi-Familie verliess den Speisesaal ohne ihre Nachspeise auch nur anzurühren. Der Hühnchen-Vorfall durfte sich keinesfalls auf klein Emma übertragen. NEVER. Unsere sprachlosen Kollegen am Nebentisch klatschten heimlich Beifall und verlangten Zugabe.

Ich setzte meinen Röhrenblick auf und verdrängte alle anwesenden Familien aus meinem Blickfeld. Von der Küche kam bereits der flinke Kellner mit Schaufel und Besen herbeigeeilt, um dem Spektakel ein Ende zu setzen.

Ganz herzlichen Dank an dieser Stelle an den zuvorkommenden Kellner Manfred, der uns immer wieder gekonnt aus der Misere rettete und unser allabendliches Cabaret mit einem stets freundlichen Lächeln ertrug!

Beitragsbild: © Mini & Stil

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11 Comments

  • Reply
    Olivia
    10. September 2016 at 10:22

    Hab ich gelacht. 🙂 Danke für diesen ehrlichen Bericht! Happy weekend, Olivia

  • Reply
    Jasmine Brügger
    11. September 2016 at 8:46

    Ich musste auch die ganze Zeit Lachen 😂. Was für ein herrlicher Bericht… geht wohl den meisten Familien nicht anders. Ausser der Perfi-Familie vielleicht 😉. Aber lieber so als brave Kinder die kein mucks von sich geben dürfen. Die können einem leid tun…

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    Tijana
    11. September 2016 at 16:42

    Hammer bitrag :-)))))*grosses lachen*

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    Isabelle
    16. September 2016 at 21:09

    Danke euch! Schön, dass ihr über meinen Beitrag lachen konntet. Dann habe ich mein Ziel erreicht 😉

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    Fabienne
    19. September 2016 at 20:23

    Ich ha mi kaputt glachet. En klassische Fall vo lieber ihr als mir 😂. S nächst Mal sind dänn mir wieder dra…

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    Andrea
    22. September 2016 at 20:43

    Grosses Kino. Ich hätte auch Popcorn bestellt. Und Dir einen Prosecco.

    Bester Satz: Emma weiss zwar, wie man Petit Beurre buchstabiert, würde aber nie danach verlangen. NEVER.

    Aber du weisst, bei uns ist’s auch auch nicht besser….(http://www.anyworkingmom.com/train-ride-from-hell/)

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    Nathalie
    3. Oktober 2016 at 20:13

    Ich habe immer bereits nach dem ersten Desaster ein Prosecco in der Hand😉 Zum Glück geht es anderen auch so.. Danke fürs teilen!

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    moon sea and we
    6. Dezember 2016 at 21:57

    sooooooooooo good 🙂 !! hahahah 😀 super Beschrieb 🙂 <3

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    Sophie
    13. Dezember 2016 at 15:06

    Hehe, super Geschichte! 😀 Kommt mir sehr bekannt vor 😉 Ist bei uns häufig (leider) auch genauso… und die tollen Blicke, die man dann kassiert, irgendwo zwischen Mitleid und Verachtung, vorallem von den Perfi-Familien. Peace Leute, es sind doch nur Kinder!

    Als meine Tochter mal vor der Kasse am Supermarkt einen gewaltigen Tobsuchtsanfall hatte (so richtig mit sich zu Boden werfen, schreien, knallrot werden, weinen, sich am Boden herumwälzen, fauchen und spucken…), meinte eine „nette“ Dame: „Sie dürfen keine Angst zeigen. Das spüren die.“ ehmm…ja. Dankeschön.

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      Isabelle
      13. Dezember 2016 at 15:14

      Ich hätte im Erdboden versinken können… Nach einer Woche Ferien war ich völlig fertig 😉 Aber gut zu wissen, dass es auch anderen so geht 😉 Ja, die „nett“ gemeinten Kommentare von Aussenstehenden sind in solchen Situationen immer besonders „hilfreich“ 😂

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    Regina
    2. Juni 2020 at 1:18

    Großartig 😊! DAS ist das wahre Abenteuer ”Leben” und es ist herrlich mit all seinen Facetten! Ohne Desaster wäre es viel zu langweilig… auch wenn man sich in dem Moment am liebsten verkriechen möchte… das sind die Geschichten die wir erzählen und worüber man so herzhaft lachen kann… und die perfekte Ausrede für ein Glaserl zwischendurch 😊! Fragt sich nur worüber die Perfi’s lachen 🤔! Danke für die Geschichte!

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